Weimar-Special

SEPTEMBER 2023

JUNI 2023: INTERVIEW SPIEGELZELT


MAIAUSGABE: INTERVIEW LICHTHAUSKINO

Für das „Weimar Special“ unserer ersten Ausgabe haben wir dem Lichthaus-Kino einen Besuch abgestattet und konnten die beiden Inhaber  Dirk Heinje und Sven Opel interviewen. Es war eine sehr entspannte Atmosphäre und anschließend haben wir uns noch einen Film angesehen. Das Lichthaus ist ein Programmkino. Das heißt, es werden ausgewählte Filme gezeigt, die meist nicht in den üblichen Kinos zu sehen sind. Das Lichtspielhaus ist in einem ehemaligen Straßenbahndepot eingerichtet. Dadurch bekommt die Einrichtung unserer Meinung nach eine Art einzigartigen Retro-Stil, den man bei anderen Kinos so nicht wiederfindet. Man landet nach dem Filmerlebnis sanft in der echten Welt, anstatt über den langen Teppichboden am Popcorn vorbei den Ausgang aufzusuchen. 

Dadurch wirkt der Film laut unserer Erfahrung stärker nach als im Mainstreamkino. Denn man bleibt noch länger im filmischen Geschehen verhaftet und wird nicht, wie oft, von der üblichen Kinoeinrichtung aus dem Filmerlebnis herausgeschleudert in die kommerzielle Realität. Deshalb ist das Lichthaus für uns ein einzigartiger Ort und bietet Kinoerlebnis der ganz besonderen Art.

„Die Magie eines Kinos ist, dass man in eine andere Welt, in eine andere Zeit, in einen anderen Raum tauchen kann. Das ist eigentlich, was ein Kino ausmacht, also die audiovisuelle Reise in andere Gefilde. Kino ist ganz eng verwoben mit Emotionen, das ist auch das Schöne daran. Man geht dann raus, ist völlig verstört oder halt den ganzen Tag glücklich.“

DIRK HEINJE

Gingoblatt: Wie würden Sie das Kino in 3 Worten beschreiben? 

Schwierige Frage, ich könnte natürlich sagen: „Licht, Haus, Kino.“

Gingoblatt: Was hat Sie dazu motiviert ein Programmkino in Weimar zu gründen? 

Ich bin eigentlich zufällig darauf gekommen. Ich habe genau wie mein Geschäftspartner in einem Kino gearbeitet, damals in München und hab mich schon immer für Film interessiert. Dann kam ich nach Weimar und habe einen Job gesucht. Beim Kunstfest ’98 habe ich angefangen in dem Bereich zu arbeiten. Dort habe ich dann auch meinen Kollegen kennengelernt und wir haben uns irgendwann gesagt: „Das klappt doch ganz gut. Lass uns ein eigenes Lichtspielhaus aufmachen.“ Seitdem machen wir Kino.

Gingoblatt: Wie kam es dazu, dass Sie so an Filmen interessiert sind?

Ein konkretes Schlüsselerlebnis gab es nicht. Ich bin einfach schon immer leidenschaftlich gern ins Kino gegangen und es hat sich damals ein Job in dem Ressort aufgetan.

Gingoblatt: Was macht die Magie dieses Ortes genau aus?

Bei uns sind es vor allem die Räume die wir völlig frei gestalten können. Es hat tatsächlich etwas Magisches, wenn die unverputzten Wände von Scheinwerfern angestrahlt werden und dann der Film beginnt. Die Atmosphäre gleich beim Betreten, wenn man in solch eine Halle kommt, ist unvergleichbar.

Gingoblatt: Hatten Sie am Anfang Bedenken, ob dieser Ort gut angenommen wird?

Zu Beginn ist man immer optimistisch und diese Euphorie hat sich irgendwann auch bewahrheitet. Es hat aber eine Weile gedauert, bis sich das Lichthaus auch wirtschaftlich rentiert hat. Wir haben zwar seit ’98 hier Kino gemacht, aber zunächst nur sporadisch. 2003 haben wir dann wirklich angefangen, täglich mit einem Saal und 2007 kam der zweite Saal dazu. 2012 haben sich mit Saal 3 dann die Zuschauerzahlen noch einmal deutlich erhöht. 

Gingoblatt: Wieso haben Sie sich dazu entschlossen das Gebäude so zu lassen, wie es ist?

Es ging einfach um den Charme. „The spirit of the location.“ Man kommt in einen Raum rein und denkt: „Das ist ‘ne alte Werkshalle.“ Aber man kann auch fantastisch andere Veranstaltungen hier abhalten. Wir haben auch zum Kunstfest in solchen Räumen angefangen und da haben wir einfach in die leeren Spaces ein Kino gebaut. Leinwand, Projektor, ein paar Stühle und Tonanlage rein – fertig. Es war wie das Wanderkino zu DDR-Zeiten – einfach, schlicht, charmant. 

Gingoblatt: Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus?

Gerade am Kinowochenanfang, also Donnerstag, muss ich immer eine neue Playlist aus neuen Filmen erstellen, Plakate kleben, unsere Toiletten und Säle säubern, schauen, was an Getränken da ist und mich um Organisation und Abrechnung kümmern. Außerdem muss ich immer überprüfen, ob alle Filme tatsächlich funktionieren. Wir kriegen die entweder über einen Stream zugeschickt oder als physische Festplatte und dann muss das alles noch ins System eingespielt werden.

Gingoblatt: Ist es schon mal passiert, dass ein Film nicht laufen konnte?

Ja, aber zum Glück noch nicht allzu oft. Ein schöner Klassiker ist, dass wir einen Film für die Woche angekündigt haben, er aber erst in der nächsten Woche starten kann. Er stand schon im Programm, wurde dann aber einfach noch nicht zugesendet. Manchmal verschieben Verleihe auch den Start. Du kriegst das einfach nicht mit. Oder man vertauscht einen Akt. So verliert der Film den Zusammenhang. Man hat 6 oder 7 Akte; das sind Rollen, die man montiert. Wenn man den Film abbaut – es muss schnell gehen – und dann die Rollen in die falsche Kiste tut, kann es sein, dass beim erneuten Aufbauen der fünfte auf den zweiten Akt folgt. Mann muss in dem Fall ganz schön gute Erinnerungen haben, um das wieder zusammenbauen zu können. Das kann mit der neuen Technik allerdings nicht mehr passieren, weil man jetzt Festplatten oder Streams nutzt.

Gingoblatt: Was ist aktuell Ihr Lieblingsfilm aus dem Programm?

Ich fand tatsächlich „Räuber Hotzenplotz“ sehr interessant. Dafür, dass es ein Kinderfilm ist, war er sehr spannend.

Gingoblatt: Bieten Sie Praktikumsplätze an?

Haben wir schon gemacht, aber nicht vordergründig. Wenn, dann ist es meistens auf die Kassentätigkeit und den Kontakt zum Kunden beschränkt. Also Getränke verkaufen, Kartenverkaufen, Filme angucken und empfehlen. Wir bieten das aber nicht regelmäßig an.

Gingoblatt: Welche Filme spielen Sie, wie viele davon sehen Sie auch selbst an?

Wenige sieht man sich selbst vollständig an. Man schafft auch nicht alle. Oft verlassen wir uns bei der Auswahl wirklich auf Ausschnitte, auf Trailer und auf Pressebeurteilungen, weil es auch das ist, was das Publikum liest. Es gibt zum Beispiel Filme, die zu kommerziell sind. Dafür gibt es andere Kinos. Wichtig ist uns auch die Aktualität der Filme. Kein Kriterium ist unser eigener Geschmack. Das wäre zu einseitig. Es gibt manchmal auch recht leichte Filme, aber es gibt auch Wochen, in denen wir bei vielen Dramen im Programm denken: „Ach Gott, wird das wieder eine tragische Woche.“ Einmal hatten wir auch „Operation Fortune“ im Programm, das war ein Ausflug in den Kommerz und hat nicht so gut funktioniert.

Vielen Dank für das spannende Gespräch!

Kontakt

Dirk Heinje, Sven Opel | Am Kirschberg 4 | 99423 Weimar

post@lichthaus.info